Anlässlich des diesjährigen Bundesweiten Vorlesetags besuchte Petra Pau das Sartre-Gymnasium in Berlin-Hellersdorf.
Am Freitag, den 15. November, las sie rund 40 Schülern und Schülerinnen aus Manja Präkels Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirchen aß“ vor.
Seit 2004 setzt Deutschlands größtes Vorlesefest, das auf Initiative von DIE ZEIT, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung ins Leben gerufen wurde, ein Zeichen für das Vorlesen und Eintauchen in andere Lebenswelten sowie ein verständnisvolles Miteinander. Dem diesjährigen Motto „Vorlesen schafft Zukunft“ liegt die Botschaft „Jede gelesene Geschichte hilft uns dabei, gemeinsam zu wachsen“ zugrunde. Und diese Botschaft könnte nicht besser passen.
Petra Pau wählte das preisgekrönte Jugendbuch „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ von Manja Präkels aus und las verschiedene Auszüge vor, die mal in der DDR, in den 90er Jahren sowie in der Zeit nach 2010 spielen. Die Schülerinnen und Schüler der zehnten Klassen konnten die Protagonistin Mimi begleiten, die ihre Beobachtungen und Erfahrungen nachdrücklich schildert. Sie war früher die Nachbarin von Oliver, beide sind in einem kleinen brandenburgischen Ort an der Havel groß geworden und haben viel miteinander gespielt. Nach dem Fall der Mauer entfernen sich die zwei mehr und mehr voneinander, da sich Oliver radikalisiert und dem extrem rechten Milieu anschließt. Er ist Teil einer gewaltbereiten Jugendbande.
Die Gewaltexzesse, die in den 90er Jahren insbesondere, aber nicht nur, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stattfinden, werden auch von Manja Präkels beschrieben. Petra Pau liest vor, wie Mimi die Geschehnisse beobachtet: „Sie [die Nazis] waren überall. Und nun sogar im Fernsehen“. Es geht um Gewalttaten in Rostock-Lichtenhagen gegenüber Vertragsarbeitern und –arbeiterinnen. Sie wurden von Nazis aus Mecklenburg-Vorpommern und solchen aus dem Westen, die extra hierfür angereist sind, verübt. Im Fernsehen wurde darüber berichtet.
Petra Pau kann diese grausamen Taten gegenüber den Schülern und Schülerinnen gut einordnen. Sie schlägt den Bogen zum Nationalsozialistischen-Untergrund und seiner viel zu lange anhaltenden Mordserie und schildert eigene Erfahrungen. Etwa wie sie und ihre politischen Mitstreiter und Mitstreiterinnen von anderen Parteien 1990 in der Gothaer Straße in Hellersdorf von jungen Neo-Nazis in Springerstiefeln und Baseballschlägern angegriffen wurden. Die Nazis hätten alle Parteistände niedergeschlagen und auch versucht, die Politiker und Politikerinnen anzugreifen. Petra Pau schildert, wie dieser Vorfall sie und ihre Kollegen und Kolleginnen – mittlerweile verbindet sie eine Freundschaft – nicht eingeschüchtert hat. Im Gegenteil! Im Sinne von „jetzt erst recht“ waren sie motiviert, für eine Demokratie einzustehen.
Wenn in dem Roman von dem Angriff auf Baracken der Gedenkstätte Sachsenhausen in den 90ern die Rede ist, hält Petra Pau kurz inne und macht den Schülern und Schülerinnen deutlich, dass das nicht nur Geschichte ist. Auch die Gedenkstätte Buchenwald muss immer wieder Angriffe fürchten, zuletzt auf die von dem Lebenshilfe-Werk Weimar/Apolda gepflanzten Bäume entlang der Todesmarschrouten. Auch wenn vermeintlich viel Zeit dazwischensteht, ist diesen Taten ihre zutiefst menschenverachtende Ideologie gemein. Generell habe es leider immer wieder unterschiedliche Phasen von Gewaltexzessen von der extremen Rechten gegeben – gleichzeitig gab es immer Menschen, die sich dagegen stemmten und für eine Demokratie einsetzten.
Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages – mittlerweile wohlgemerkt das historisch am längsten amtierende Präsidiumsmitglied! – beantwortete anschließend die Fragen und Anregungen aus der Runde. Die Schilderungen eigener Diskriminierungserfahrungen der Jugendlichen machte deutlich, dass das Problem von gewaltbereitem Menschenhass aktuell und präsent ist. Einige Schüler und Schülerinnen konnten Petra Pau auch positive Ratschläge im Bereich des virtuellen Miteinanders geben: Bei Hasskommentaren könne ruhig rigoros blockiert und gelöscht werden, das sei eine gute Abwehr. Aber auch die Solidarität mit denjenigen, die Hasskommentaren ausgesetzt sind, dürfe nicht vergessen werden und sei wichtig zu zeigen.
Schulleiterin Angela Kausch-Miniers bedankte sich herzlich bei Petra Pau für das gut ausgesuchte und aktuelle Buch sowie den Austausch. Treffend erinnerte sie alle Anwesenden: „Gewalt fängt mit Sprache an“.