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Solidarität mit den Opfern des rechtsextremen Terrors in Deutschland

Ein Grund zur Empörung

Von Anetta Kahane

Die terroristische Mordserie der Jenaer Neonazis erschüttert und überrascht das Land. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer, die über viele Jahre auf Aufklärung der brutalen Morde gewartet haben.

Wir verstehen die Empörung der Familien und ihrer Nachbarn, die nun den Eindruck haben, dass die Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ihre Arbeit nicht mit der gebotenen Sorgfalt gemacht haben. Den Opfern wurde unterstellt, in gewisser Weise selbst schuld an ihrem Tod zu sein, weil die Taten als kriminelle oder ethnische Vergeltungsaktionen interpretiert wurden. Das ist ein Grund zur Empörung! Die Behörden hätten bei erfolgloser Ermittlung zumindest offen lassen müssen, dass auch ein rechtsextremer Hintergrund der Taten möglich ist. Stattdessen griff die Polizei auf Stereotype gegen Einwanderer zurück. Das ist beschämend und unverzeihlich. Die Amadeu Antonio Stiftung möchte an dieser Stelle den Familien der Opfer ausdrücklich ihr Mitgefühl ausdrücken. Der fatale Eindruck, dass in dem Fall mit zweierlei Maß ermittelt und bewertet wurde, ist ein verheerendes Zeugnis über den Zustand der deutschen Demokratie. Der Verfassungsgrundsatz der Gleichwertigkeit aller Menschen unabhängig von ihrer Herkunft wurde hier missachtet. Das kann die Gesellschaft in Deutschland nicht länger hinnehmen. Denn zu ihr gehören die Einwanderer und deren Familien. Sie haben das gleiche Recht auf Schutz und Unversehrtheit wie alle anderen, die in diesem Lande leben. Es wird Zeit, dass dies endlich von Politik und Gesellschaft anerkannt und respektiert wird!

Tradition der Verharmlosung

Damit im Zusammenhang steht der Umgang mit Rechtsextremismus. Anders als beim Linksextremismus zeigt sich hier eine Tradition der Verharmlosung rechtsextremistischer Aktivitäten. Zwar hat die Bundesregierung seit 2001 Programme gegen Rechtsextremismus aufgelegt, doch ist es noch ein langer Weg bis die Gefährdungen der demokratischen Kultur wirklich überwunden werden können. Noch immer gibt es Defizite in diesen Programmen und, was nun offenbar wird auch in der staatlichen Verfolgung rechtsextremer Täter. Der Fall der Jenaer Gruppe zeigt, dass hier ein Dunkelfeld zwischen Behörden und Naziszene entstanden ist. Das war nur möglich, weil rechtsextremer Terror nicht wirklich ernst genommen wurde. Zu oft wurde hier von Jugendgewalt ausgegangen, zu oft wurde abgewiegelt oder verharmlost, wenn es um rechte Gewalt ging. Die Opfer von Übergriffen und gegen Neonazis Engagierte wurden als Panikmacher abgestempelt. Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse blieben häufig ungehört.

Mangel an Professionalität und Distanz

Ein besonderes Feld ist ohne Frage der Freistaat Thüringen. Hier wurde über viele Jahre fahrlässig mit der Gefahr von rechts gespielt und unkontrolliert mit V-Leuten aus der Naziszene experimentiert. Daraus entstand ein Klima, das es Nazis leicht machte, die Behörden zu manipulieren. Der Mangel an Professionalität und an Distanz zur militanten Szene war besonders unter dem ehemaligen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz Helmut Roewer ein großes Problem. In seiner Amtszeit wurden Führer der Kameradschaft Thüringer Heimatschutz als V-Leute geführt und so gut bezahlt, dass sie nach eigenen Angaben auch ihre Organisation alimentieren konnten. Helmut Roewer war es auch, der auf einer öffentlichen Veranstaltung 1999 bemerkte, dass auch das Dritte Reich seine guten Seiten gehabt habe.

Keine ostdeutsche Folklore

Ein solches Klima bei den Behörden, gepaart mit einer Unterschätzung der Naziszene und dem Mangel an Wertschätzung der Opfer hat gewiss dazu beigetragen, dass die Ermittlungen keinen Erfolg hatten. Thüringen ist kein Land außerhalb der Bundesrepublik, in dem nach eigenen Regeln gehandelt werden kann. Es ist ein Skandal, dass Politik und Öffentlichkeit die Verhältnisse in Thüringen offenbar für eine Art ostdeutsche Folklore gehalten und deshalb Konsequenzen unterlassen haben. Denn wie wir heute sehen, hat derartige Duldung verheerende Auswirkungen auf die gesamte Bundesrepublik.

Die Amadeu Antonio Stiftung ruft daher auf, endlich Einwanderer als gleichwertige Mitglieder der deutschen Gesellschaft zu behandeln. Sie verlangt Aufklärung über das Dunkelfeld zwischen Rechtsextremisten und staatlichen Behörden. Sie fordert, den Kampf gegen Rechtsextremismus ernst zu nehmen und die Zivilgesellschaft dabei zu unterstützen, statt zu behindern. Die Amadeu Antonio Stiftung ruft alle Bürger auf, sich zu engagieren und nachzuhaken und die Opfer nicht allein zu lassen. Das sind wir ihnen schuldig.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat in einem Sondernewsletter zum aktuellen Rechtsterror diverse Informationen zusammengestellt. Frau Kahanes Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung diesem Newsletter entnommen.

 

Weitere Wortmeldungen von Mitgliedern des Berliner Ratschlag für Demokratie:

Wolfgang Thierse,
Vizepräsident des Deutschen Bundestags
„Es kann nicht sein, dass ein Verbot der NPD auf Jahre hinaus an den V-Leuten des Verfassungsschutzes scheitert. Das ist doch der eigentliche Skandal: Der Verfassungsschutz selbst ist inzwischen zum Bestandsschutz, ja zur Bestandsgarantie der verfassungsfeindlichen NPD geworden!“

Uwe-Karsten Heye,
Vorstandsvorsitzender von Gesicht zeigen!
„Das Leid der Opfer und ihrer Familien ist unermesslich groß. Wir wünschen uns eine lückenlose Aufklärung der rassistischen Morde und fordern von der Regierung, die Gefahr des Rechtsterrorismus endlich zu begreifen und wirkungsvoll zu bekämpfen!“

Petra Pau,
Vizepräsidentin und für DIE LINKE Mitglied im Innenausschuss des Bundestages
„Wir wollen erstens eine unabhängige Beobachtungskommission gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Zweitens müssen die zivilgesellschaftlichen Initiativen für Demokratie und Toleranz erweitert und dauerhaft finanziert werden. Drittens plädiere ich seit Jahren für eine Beauftragte des Bundestags für Demokratie und Toleranz, die zugleich alle Ministerien koordiniert.“

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