Was haben Juden, Muslime und Radfahrer gemeinsam? Sie sind Diskriminierungen ausgesetzt, die dazu beitragen, dass der öffentliche Raum für sie teilweise angstbesetzt ist und sie sich nicht frei und selbstsicher in der Stadt bewegen können. An diesem Punkt setzt das Projekt an und vereint Juden, Muslime und Fahrradfahrer in einer selbstbewussten Aktion für ein respektvolles gesellschaftliches Miteinander, der Cycling-Unites-Critical-Mass-Tour .
Projekt Informationen
Initiative Clevere Städte und meet2respect
Galvanistraße 10
10587 Berlin
Heinrich Strößenreuther
Die Anschläge von Paris und Kopenhagen und die Übergriffe auf in Deutschland lebende Juden, die aufgrund ihrer Kippa als solche zu erkennen waren, haben die Angst von Juden vor Antisemitismus unter Muslimen und das Betreten von Stadtvierteln mit höherem muslimischem Anteil, verstärkt.
Die Demonstrationen gegen Muslime in Form von Pegida und Brandanschläge gegen Moscheen befördern die Angst von Muslimen vor der Mehrheitsgesellschaft und dem Betreten von Stadtvierteln und Regionen, in denen kaum Muslime leben.
Jedes Jahr sterben 400 Fahrradfahrer in Deutschland, 70.000 werden verletzt, jede zweite Stunde passiert es. Wegstrecken, auf denen sich Fahrrad- und Autoverkehr die Straße teilen und es keine separaten Fahrradwege gibt, gehören zu den risiko- und angstbesetzten Bereichen für Fahrradfahrer.
An diesem Punkt setzt das Projekt an: NoGo-Zonen in unseren Städten dürfen nicht der Normalzustand sein, weder für Juden, noch für Muslime noch für radfahrende Menschen. In Verbindung mit der BERLIN BICYCLE WEEK entstand die Idee, die meet2respect-Tandems von Imamen und Rabbiner auf „richtige“ Tandems aus Stahl und Gummi zu bringen: Sie sollten, unterstützt und begleitet von einer Critical Mass, ein eindrucksvolles Zeichen im Hinblick auf diese drei Formen urbaner Diskriminierung ausstrahlen. Leadership Berlin – Netzwerk Verantwortung e.V. sorgte dabei für die Besetzung von mehreren jüdisch-muslimischen Tandems. Die Initiative Clevere Städte war für die Organisation der Tandems, der Sicherheit und der Routenplanung verantwortlich.
Für den Abbau von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit engagiert sich der gemeinnützige Verein Leadership Berlin – Netzwerk Verantwortung e.V., indem er im Rahmen seines Projektes „meet2respect“ Imame und Rabbiner in „Tandems“ zusammenbringt, die sich gemeinsam in Schulklassen für Respekt und Toleranz aussprechen. Um Anerkennung für die im Straßenverkehr benachteiligten Radfahrer engagiert sich seit 2013 Heinrich Strößenreuther. Er fördert mit seiner Initiative „Clevere Städte“ die weltweite Bewegung der Critical-Mass-Touren, bei denen gemeinsam hunderte bis zu 5.000 Radfahrer die Straße als öffentlichen Raum zurückerobern und Präsenz gegen die Diskriminierung und Gefährdung durch den Autoverkehr zeigen.
Die BILD-Zeitung schrieb in ihrer Schlagzeilen: „Sitzen ein Rabbi und ein Imam auf dem Tandem, kein Witz“. Die Symbolik, dass Imame und Rabbiner gemeinsam auf einem Tandem-Fahrrad – einem Symbol für Freizeit, Spaß und Verbundenheit – sitzen, hat Wirkung bei jungen Muslimen. Ihnen wird damit vermittelt, dass das Islam-Verständnis ihrer Religionsvertreter keinerlei Antisemitismus oder generell Diskriminierung, Beschimpfung oder gar Gewalt gegen Andersgläubige zulässt. Sie sehen, dass die Imame keine Berührungsängste, sondern ein offenes, gutes Verhältnis zu Rabbinern haben und dies auch nach außen tragen.
Gleichzeitig setzt die Tandem-Tour ein wichtiges Signal für den Abbau von Vorurteilen, Angst und Ablehnung gegenüber dem Islam und Muslimen in der Mehrheitsgesellschaft und in der jüdischen Community. Islam wird in unseren Medien vor allem in negativen Zusammenhängen dargestellt und Islamfeindlichkeit existiert vor allem dort, wo keine Begegnungen stattfinden und ein falsches (Feind-)Bild auf Grundlage beispielsweise von IS-Kriegsführung oder terroristischen Anschlägen entsteht (das verdeutlicht z.B. die Zahl der Pegida-Anhänger in Dresden, wo nur 0,1% Muslime leben). Dem treten die beteiligten Rabbiner gemeinsam mit den Imamen entgegen und begegnen den häufig vorgenommenen Generalisierungen und den stereotypen Darstellungen von Muslimen mit einem positiven, Gemeinschaftlichkeit symbolisierenden Bild.
Die Vorstellung, dass unsere Städte seit langem schon NoGo-Areas für radfahrende Kinder seien, ist eine Ungewöhnliche, Radverkehr mit dem Wort Diskriminierung zu verbinden ebenfalls. Ein Grund, gemeinsam die Tour auf die Beine zu stellen und sie mit dem Gedanken der Critical Mass zu verbinden. Das ist eine weltweite Bewegung, bei der am letzten Freitag im Monat gemeinsam Fahrrad gefahren wird, um zu zeigen, dass Verkehr mehr als nur Auto ist: “Wir sind der Verkehr”.
An der Cycling-Unites-Critical-Mass-Tour am 22. März nahmen acht jüdisch-muslimische Tandems, ein jüdisch-muslimisches Velo-Taxi und mehr als 500 Radfahrer der Critical Mass teil. Die Tour startete am Brandenburger Tor und führte über 22 km vorbei an jeweils zwei jüdischen und muslimischen Gebetshäusern bzw. Einrichtungen und endete beim Messegelände der BERLIN BICYCLE WEEK. Über die Veranstaltung wurde in Tagesspiegel, Morgenpost, Berliner Zeitung, RBB Abendschau, Deutsche Welle, dem Youtube-Channel des Auswärtigen Amtes und vielen weiteren Medien berichtet.