Alle Gründungsmitglieder von Menda Yek e.V. sind entweder direkte Überlebende des Holocaust (z.B. Rita Prigmore aus Würzburg) oder Nachfahren von Überlebenden in der 2. oder 3. Generation. Alle Gründungsmitglieder sind Frauen, die den Verein für ihre Community, also vom Holocaust betroffene Familien gegründet haben. Die Erkenntnis, dass der Holocaust unsere Leben, Familien und beruflichen Werdegänge bis heute beeinflusst hat lange gedauert.
Im Rahmen des Vereins wird dieses historische und persönliche Erbe aufgearbeitet und es gibt einen sicheren Raum für Selbstorganisation, Empowerment, Weiterbildung und Vernetzung.
Der Verein Menda Yek e.V. ist in verschiedenen Bereichen tätig: Gemeinschaft & Empowerment innerhalb der Sinti Community, Verbesserung der Bildungschancen für junge Sinti (insbesondere Mädchen und junge Frauen) und historisch-politische Bildung für die Sinti Community, aber auch in Zusammenarbeit mit der Mehrheitsgesellschaft.
Die Aufarbeitung transgenerationaler Traumata des Holocaust und der langfristigen psychischen und physischen Auswirkungen innerhalb der Community zieht sich wie ein roter Faden durch alle Aktivitäten des Vereins. Ein weiterer Fokus soll die Teilhabe an der Forschung und politisch-historischer Bildung werden.
Projekt Informationen
Menda Yek e.V.
Kopenhagenerstr 45
c/o Amcha Deutschland
10437 Berlin
Margitta Steinbach
Es ist für Nachfahren des Holocaust sehr schmerzhaft und frustrierend, nicht an der politisch-historischen Bildung beteiligt zu werden. Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft promovieren und forschen zu uns und veröffentlichen Ausstellungen und Publikationen zu unseren Geschichten. Dies führt aber im schlimmsten Fall dazu, dass gegen unsere Werte und unsere Kultur verstoßen wird und unsere Sichtweise unberücksichtigt bleibt. Gleichzeitig wissen wir oft nichts von diesen Vorhaben und haben selbst nur niedrige Bildungsabschlüsse und sind daher von dieser wissenschaftlichen Arbeit ausgeschlossen. Wir möchten mit Historiker*innen, Archivar*innen, Forscher*innen und Lehrkräften auf Augenhöhe zusammenarbeiten und an der historisch-politischen Bildung teilhaben und diese aktiv mitgestalten sowie eigene politisch-historische Bildung betreiben, sowohl für unsere Community als auch für die Mehrheitsgesellschaft. Das ist für uns auch ein Weg, um unser transgenerationales Trauma zu heilen und die Deutungshoheit über unsere Geschichte zu gewinnen. Wir freuen uns, dass mittlerweile mehr Bewusstsein und Interesse an unserer (Verfolgungs-)geschichte vorhanden ist. Allerdings sind wir selbst meistens nicht an der Aufarbeitung beteiligt. Es besteht daher ein großer Bedarf, mit Menschen und Institutionen zusammenzuarbeiten, die derzeit die Familienbiografien und die Geschichte der deutschen Sinti aufarbeiten. Unsere Perspektiven und Vorstellungen müssen an den Orten verbreitet werden, an denen über unsere Geschichten und Vorfahren geforscht und damit Bildungsarbeit betrieben wird und wo immer noch unsere Fotos und Unterlagen in Archiven liegen. Oft richtet sich Bildungsarbeit nur an den Bedürfnissen der Mehrheitsgesellschaft aus und es wird dadurch gegen unsere Kultur und Werte verstoßen, was uns zutiefst verletzt und uns noch weiter von Institutionen entfernt. Wir möchten, dass durch das Projekt neue Standards entstehen, wie mit Nachfahren zusammengearbeitet werden kann.
Gleichzeitig ist es notwendig, dass wir uns innerhalb der Community gegenseitig stärken und vernetzen, um diese psychisch anstrengende Auseinandersetzung auszuhalten. Zudem haben viele aus unserer Minderheit nie die Möglichkeit gehabt, die Orte zu besichtigen, an denen unsere Vorfahren ermordet wurden, wir kennen diese Orte nur aus ihren Erzählungen. Für uns ist es daher zentral, dass sich politische Bildung auch an unsere Community richtet und wir auch die Möglichkeit bekommen, historische Orte zu besuchen und über historische Zusammenhänge zu lernen. Für Nachfahren von Holocaustüberlebenden bedarf es hier aber einen anderen Ansatz, denn die Auseinandersetzung mit dem Genozid ist für uns besonders schwer und wir können es nur in einem geschützten Rahmen schaffen.
Wir setzen uns daher aktiv für Bildungsarbeit zu den Folgen des Holocaust ein, dazu gehören Kooperationen bei Forschungsprojekten, Ausstellungen und Publikationen sowie die Durchführung eigener Bildungsveranstaltungen, beispielsweise mit dem Dokumentarfilm „Auschwitz verlassen“. Der Erfahrungsaustausch mit anderen Selbstorganisationen der Sinti stärkt unser Netzwerk und fördert den Wissenstransfer. Innerhalb der Community teilen wir Wissen in 1:1-Gesprächen und Beratungen und wir organisieren kleinere Empowerment-Treffen. Ein besonderer Schwerpunkt ist die jährliche Bildungsreise nach Auschwitz im August, die für Angehörige der Sinti-Community organisiert wird, um historische Bildung und Erinnerungskultur lebendig zu halten. Uns ist es ein wichtiges Anliegen, dass unsere Perspektive auf den Holocaust und die sog. zweite Verfolgung nach 1945 sichtbar wird und wir an dem Diskurs selbst teilhaben können.