Mit den interkulturellen Stadtteilführungen „Route 44“ und „(Zweite) Heimat Neukölln“ bekommen alle Berliner und Berlinbesucher die Chance, die mannigfaltigen Lebensarten im widersprüchlichen (Einwanderungs-) Bezirk Neukölln mit anderen Augen zu sehen.
Projekt Informationen
Mittlerweile neun unterschiedliche Touren ermöglichen Einblicke in die verschiedenartigen Lebenswelten und stellen Bezüge zur vielfältigen Geschichte Berlins her, wie zu der Zeit der Böhmischen Siedler oder zur Zeit des Nationalsozialismus.
Seit 2009 bieten Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund Touren durch ihre (zweite) Heimat an. Die Stadtteilführerinnen sind Zeitzeuginnen der Migrations- und Bezirksgeschichte. Dabei möchten sich die Frauen nicht nur als „Migrantinnen“ verstanden wissen, sondern als sachkundige Bürgerinnen.
Sie haben sich mit historischen und aktuellen Entwicklungen ihres Bezirks beschäftigt und dabei festgestellt: manche der Streitfragen tauchen immer wieder auf!
Wie soll eine Schule aussehen, in der Kinder jeder Herkunft die gleichen Chancen haben? Muss es eine Deutschpflicht geben? Die böhmischen Religionsflüchtlinge sprachen noch 150 Jahre nach ihrer Ankunft in Rixdorf Tschechisch. Vorbildliche Kulturbewahrung oder Integrationsverweigerung?
Also handeln die Stadtteilführungen von den ‚heißen’ Themen – Einwanderung, Bildung und Wohnen: eine spannende Mischung aus Geschichte, persönlichen Erfahrungen und aktuellem Geschehen.
Als Expertinnen des Alltags laden sie auf ihren Touren dazu ein, Unbekanntes zu entdecken und Bekanntes aus einer anderen Perspektive zu sehen. Das Besondere für die Tourteilnehmer ist, dass sie sich im Rahmen einer solchen Führung an für sie ungewohnte Aspekte annähern können. So ist beispielsweise der Besuch einer Moschee für viele Nicht-Moslems etwas Besonderes. Da die Touren dialogisch angelegt sind, gibt es viel Gelegenheit zum Nachfragen oder Diskutieren, auch zu brandaktuellen Themen.
Neukölln ist ein lebendiger Bezirk, der durch Ab- und Zuwanderung schon immer vielfältigen Wandlungen unterlag. Heute ist er von Problemen, aber auch von Potenzialen geprägt.
In diesem Brennpunkt von interkulturellem Zusammenleben sollen die Stadtteilführungen ein besseres gegenseitiges Kennenlernen ermöglichen, um zu mehr Toleranz und Verständnis im Miteinander beizutragen.
Das Besondere an den Führungen ist, dass die Frauen und Mädchen ihre eigenen Kiez-Touren konzipieren und dabei ihr persönliches Erleben einbringen. Sie stellen ihre Alltagskultur vor, vermitteln aber auch Regionalgeschichte. Sie sind selbstbewusste Botschafterinnen einer – auch muslimisch geprägten – Kultur eines Berliner Bezirks, der vielen Menschen „deutscher Herkunft“ in seiner Vielfalt fremd und beängstigend erscheint. Durch ihre Touren wollen sie helfen, Vorurteile abzubauen.