Temporäre künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum Januar bis März 2010 in Alt-Rudow / Neukölln, Berlin ein Projekt von Janna Schneewitta Rehbein und Anja Sommer. Die beiden Künstlerinnen haben seit Januar 2010 aufbauend auf das Projekt Rudower Vielfalt von 2009 verschiedene künstlerische Interventionen in enger Zusammenarbeit mit der Aktionsgemeinschaft Rudower Geschäftsleute in Alt Rudow durchgeführt.
Projekt Informationen
Thema waren in Begriffe wie: Toleranz, Freiheit, Respekt, Würde Solidarität und Demokratie. Diese werden im alltäglichen Sprachgebrauch zwar oft genutzt, um demokratische Grundwerte zu beschreiben, jedoch bleibt ihr wahrer Inhalt und auch die weitreichendere Bedeutung aber unklar. Das Projekt stellte die Frage, was steckt hinter diesen Begriffen? Wie interpretieren sie die Menschen für sich und wie wichtig sind ihnen diese Werte.
Das Projekt gliederte sich in verschiedene, miteinander verschränkte Phasen.
1. Projektphase | Theateraktion
„Solidarität, das ist Helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.“
„Würde ist eine innere Haltung und nicht an Materialität geknüpft.“
„Gleichheit, gleichwertig bedeutet für mich, dass jeder den Anderen höher halten sollte, als sich selbst.“
„Toleranz bedeutet für mich, dass man anderen den eigenen Lebensstil, soweit möglich, nicht aufzwingt.“
Diese und andere Kommentare von Rudower Bügern wurden während der Theateraktion Mitte Januar notiert und gesammelt.
Am Vormittag des 16. Januar bewegte sich eine Gruppe von 8 Schauspieler und einer Jongleurin, weiße Overalls und pinkfarbene Handschule gekleidet, über den Wochenmarkt in der Pierosser Strasse in Alt-Rudow. Jeweils zwei Spieler der Gruppe lösten sich und gingen mit einer Art Loskugel auf Passanten und Besucher zu, um sie um einen Kommentar zu Begriffen wie: Toleranz, Respekt, Vielfalt, Würde, Freiheit etc. zu bitten. Die gesammelten Aussagen wurden zum Ausgangspunkt und zum Inhalt der künstlerischen Gestaltung der Schaufenster.
Die Theateraktion wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Aktionsbündnis gegen Rechts Rudow geplant.
2. Phase | künstlerisch gestaltete Papiertragetaschen
Ab Anfang Februar wurde schwarzen Papiertragetaschen mit drei verschiedenen Motiven: einem Straßenbild; einem Jongleur, der Bälle mit der Aufschrift Toleranz, Recht usw. wirft und einem Schriftblock mit sämtlichen im Projekt thematisierten Begriffen, in teilnehmenden Läden der Aktionsgemeinschaft Rudower Geschäftsleute gegen herkömmliche Tüten ausgetauscht. Mit den Taschen breitete sich der Inhalt und das Anliegen des Projektes aus. Auch wer sich nicht direkt für das Projekt interessierte wurde über die Taschen zur Zielgruppe.
3. Phase | künstlerische Gestaltung der Schaufenster
Seit Anfang Februar gestalteten die Künstlerinnen und viele Helfer 11, teilweise sehr große Schaufensterflächen der Mitglieder der AG Rudow, zu den thematisierten Begriffen.
Großzügig füllten farbige Klebebänder, Interviewauszüge aus der Theateraktion und Synonyme zu den Begriffen, sowie Figuren die Ladenfenster. Die farbigen Klebebänder wurden teilweise eigens für das Projekt hergestellt. Eines trägt eine Vielzahl von Synonymen des Wortes Vielfalt: wie Buntheit, Mannigfaltigkeit, Reichtum. Diese Begriffe konnten nun meterweise im öffentlichen Stadtraum sichtbar werden.
Mit den Interviewauszügen aus der Theateraktion war es möglich subjektive Kommentare und Meinungen zu demokratischen Grundwerten und subjektiven Lebenswerten öffentlich zu thematisiert.
Die farbigen Figuren illustrierten teilweise die Aussagen der Passanten oder auch den Begriff, den das jeweilige Fester thematisierte.
Zum Abschluss des Projektes wurde alle Beteiligten und Unterstützer, sowie Interessierte in die Ausstellung der Galerie der Alten Dorfschule geladen. Eine Dokumentationsausstellung mit Fotografien der Kunstaktion an der Spinne Rudow von 2008 und dem Projekt Rudower Vielfalt von 2009 wurde dort seit Januar in der Galerie gezeigt.
Reflexion:
Schon die Tüten, aber vor allem die gestalteten Schaufenster
veranlassten die Passanten in die Geschäfte zu gehen oder vor ihnen stehen zu bleiben, um die Texte und Interviewzitate zu lesen und sich nach dem Grund dieser Schaufenstergestaltung zu erkundigen.
Durch die Dauer und die Interaktion mit den Menschen vor Ort, sowie durch die unterschiedlichen künstlerischen Mittel waren viele Menschen in das Projekt involviert. Vor allem über die Schaufenster konnte der Inhalt der Grundrechte ins Gespräch gebracht werden. Über die Irritation kam das Interesse, darüber dann wieder eine Meinungsäußerung.
Als besonders positiv erscheint uns die zunächst vielfach noch zaghafte und vorsichtige, dann aber offene und Zusammenarbeit der Geschäftsleute mit uns. Die Geschäftsleute waren nicht nur direkter Partner bei der Planung und Durchführung, sondern auch Kommunikator der Reaktionen der Kunden und Passanten, weil sie, anders als die Künstlerinnen, täglich vor Ort waren. Die drei Projekte, Rudower Spinne, Rudower Vielfalt 2009 und Vielfalt 2010 haben die Geschäftsleute für ungewöhnliche Projekte begeistert und für die Zukunft neugierig gemacht.