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Was ist fair? Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aus der Praxisperspektive 

Es wäre ja ungerecht, wenn nicht alle Menschen gleich sind 

Schüler der 8. Jahrgangsstufe

„Was ist fair? Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aus der Praxisperspektive” heißt eine neue Veranstaltungsreihe des Berliner Anwaltsvereins und Berliner Ratschlags für Demokratie, die im letzten Quartal des Jahres startete. Gemeinsam mit insgesamt sieben Anwälten und Anwältinnen konnten wir neun Schulklassen an vier Schulen besuchen! Angesetzt waren ursprünglich drei Schulbesuche – aufgrund der hohen Resonanz dieses Projekts gab es schnell mehr Nachfragen, denen wir natürlich gerecht werden wollten. „Gerecht” und „Gerechtigkeit” sind gute Stichworte. Was bedeuten sie überhaupt? Ist das Recht immer gerecht? Nicht unbedingt, antwortete eine Anwältin in einem Schulbesuch diese Frage. Doch rechtsstaatlich sei es allemal. Und das bedeutet unter anderem, dass die staatlichen Gewalten in Deutschland nicht willkürlich herrschen können, sondern einer ständigen Kontrolle unterzogen sind. 

Mit dem Ja-Nein-Spiel von Gesicht Zeigen! als pädagogisches Warm-Up starteten wir die Doppelstunde: jeder Schüler und jede Schülerin erhielt eine Ja- und eine Nein-Karte. Die Fragen waren einfach (Bist du in einem Verein tätig?) bis schwierig (Sind deine Interessen wichtiger als die der anderen?). Eins waren sie ganz sicher: eine Einladung in den gemeinsamen Austausch zu gehen und herauszufinden, welche Gedanken die Schüler*innen haben und welche Themen ihnen auf den Herzen liegen. Die Frage „Bist du stolz auf Deutschland?” war regelmäßig die am meisten besprochene. Die Klasse begründete ihre Antworten meist politisch oder mit ihrem Alltag. Auf der einen Seite sind viele froh, in ihrem Alltag keine Gefahren in Form von Kriegen oder Naturkatastrophen fürchten zu müssen und die Freiheit zu genießen, Hobbies nachgehen zu können. Auch dass sie in die Schule gehen und lernen können, war ein großer Pluspunkt. Andererseits belasteten viele Schüler Alltagsdiskriminierungen, zum Beispiel weil sie zur Genüge blöde Sprüche oder Anremplungen von älteren Menschen im Alltag erleben. Ebenso waren sie mit politischen (Haushalts-)Entscheidungen nicht immer einverstanden.  

Die Anwälte und Anwältinnen konnten den Austausch sehr gut aufgreifen und darauf in ihrem Vortrag eingehen. Sie erklärten den Schüler*innen, was die Funktionen von Strafe sind und warum es eigentlich das Grundgesetz gibt. Die Verfassung als Fundament, auf dem wir stehen, zeigt schließlich die grundlegenden Regeln auf, wie wir uns in der Gesellschaft verhalten sollen. 

Das Grundgesetz ist euer Schutzschild

Nasim Ebert-Nabavi, Rechtsanwältin

Die Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber dem Staat waren regelmäßig Thema. Sie sollen willkürliche und ideologische Unterdrückungen verhindern, wie sie zur NS-Zeit an der Tagesordnung standen. Dass die Grundrechte nicht absolut, sondern relativ gelten, wurde mit dem Bild der Schranke, durch die nicht hindurchgegangen werden kann, gut veranschaulicht. Hier war das Spannungsverhältnis zwischen der freien Meinungsäußerung im Verhältnis zu einer beleidigenden Aussage ein verständliches Beispiel.  

Man darf alles sagen, außer man verletzt jemanden

Schülerin der 8. Jahrgangsstufe

Ein Highlight der Veranstaltungsreihe war der Schulbesuch von Menschenrechtsanwalt Stefan von Raumer, Vizepräsident des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) sowie Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des DAV. Er teilte mit der Schulklasse Erfahrungen seiner über 30 Jahre währenden Arbeit und wie er Fälle vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anstrengte. Bei diesen „Hochrisikoprozessen”, die eine Annahmequote von etwa 3% und dann eine Erfolgschance von ca. 30% haben, erklärte er den Schülern und Schülerinnen die hohen formalen Voraussetzungen einer Beschwerde und wie der Rechtsweg aussehen muss, bevor er als Anwalt eingeschaltet wird. Mit seiner menschlichen und nahbaren Art vermittelte er der Schulklasse konkrete Menschenrechtsarbeit aus der Praxisperspektive, indem er einen aktuellen Fall mit ihnen teilte und frühere Fälle zusammenfasste. 

Das Leben ist kein Planspiel

Stefan von Raumer, Rechtsanwalt

Die Schulklasse hatte Fragen über Fragen. Natürlich interessierte sie sich für den Anwaltsalltag, genauso wie beruflichen und privaten Werdegang. Dass nicht alles stringent vorhersehbar ist, konnte Herr von Raumer gekonnt mit der Aussage „Das Leben ist kein Planspiel” auf den Punkt bringen. 

Generell war das Anwaltsdasein von hohem Interesse. „Was war ihr krassester Fall?”, „Wie viel verdienen Sie?”, „Warum wollten Sie Anwältin werden?”, „Haben Sie schonmal jemanden aus dem Gefängnis geholt?”, „Ist es manchmal komisch, jemanden als Rechtsanwalt zu unterstützen oder zu vertreten, ohne dass man auf seiner Seite steht?” waren einige der vielen Fragen, die die Schüler*innen neugierig stellten. Als eine Anwältin eine Robe, die vor den Gerichten getragen werden muss, mitbrachte, freuten sich die Schüler, diese anprobieren zu können. Durch die Robenpflicht zeigen die Tragenden, dass sie unabhängige Organe der Rechtspflege sind. Der Schüler, der die Robe anprobierte, fühlte sich prompt erhaben und wichtig. Die Robe sei zudem aus einem angenehmen Stoff.  

Diese Veranstaltungsreihe zeigte auf, wie relevant die Vermittlung der großen Themenkomplexe „Rechtsstaatlichkeit” und „Demokratie” ist. Die tagespolitischen Themen beschäftigen auch die Jugendlichen. Und das Veranschaulichen der verschiedenen rechtsstaatlichen Strukturen in unserer Demokratie war ein gelungener Anlass für die Lehrkräfte, um an diesen wichtigen Themen anzuknüpfen.

Der Berliner Anwaltsverein bietet mit seinem Engagement „Anwälte gehen in die Schule” interessierten Schulklassen an, in die verschiedenen Dimensionen des Rechts zu blicken. Mehr Informationen finden sie hier: https://berliner-anwaltsverein.de/de/engagement/anwaelte-gehen-in-die-schule 

Wir bedanken uns herzlich beim Berliner Anwaltsverein für diese tolle Kooperation und bei den teilnehmenden Schulen mit ihren engagierten Lehrkräften und neugierigen Schüler*innen:  

  • Campus Rütli 
  • Heinrich-von-Stefan-Gemeinschaftsschule 
  • Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule und 
  • Max-von-Laue-Oberschule 

Und natürlich ein herzliches Dankeschön an die ehrenamtlichen Anwältinnen und Anwälten, die den Schulalltag der Schüler*innen mit ihren Besuchen bereicherten! Mit dabei waren: 

  • Rechtsanwältin Sigrid Achenbach 
  • Rechtsanwältin Mariam El-Ahmad 
  • Rechtsanwalt Okan Stefan Dogan 
  • Rechtsanwältin Nasim Ebert-Nabavi 
  • Rechtsanwältin Claudia Frank 
  • Rechtsanwältin Katja Gnittke 
  • Rechtsanwalt Stefan von Raumer
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